PETER STEIN ERÖFFNET MIT "FAUST" DIE SAISON IN MOSKAU

2008
moskau.ru

Moskau. Der deutsche Theater- und Filmregisseur Peter Stein trat erstmals in Russland selbst als Darsteller auf. Mit der Solo-Aufführung "Faust-Fantasie" eröffnete er im Moskauer Theater der Nationen die neue Saison.

Der einzige Auftritt von Peter Stein war in Moskau zwar weit im Voraus, aber nicht gerade massiv vorangekündigt worden. Die Moskauer, die seine Tschechow-Fassung von 1989 kannten, konnten das neue Stück des "treusten Stanislawski-Nachfolgers" aber natürlich nicht versäumen. Der kleine Zuschauerraum im Theater der Nationen war am Donnerstagabend voll.

Auf der schwarzen Bühne standen ein Stuhl mit Notenpult und ein Klavier. Stein selbst und der italienische Pianist Giovanni Vitaletti waren die einzigen Darsteller. Sehr lakonisch im Vergleich mit Steins erster Faust-Inszenierung vom Jahr 2000, die länger als 20 Stunden dauerte und bei der über 30 Schauspieler engagiert waren.

Um halb acht betraten Stein und Vitaletti, beide in Schwarz, bei etwas unsicherem Applaus die Bühne. Der Deutsche begrüßte die Zuschauer mit einem zurückhaltenden "Guten Abend". Die beiden setzten sich hin und wechselten zum Auftakt einen Blick.

Konzert für Stimme und Klavier

Stein selbst bezeichnet dieses Stück als "Konzert für Stimme und Klavier. "Faust-Fantasie" beginnt mit einer Reihe musikalischer Themen, die für Fausts Partitur gelten. Erst nach einigen Minuten setzt der Sprecher mit Fausts erstem Monolog ein.

Im ständigen Wechsel mit der Musik las Stein zuerst für Faust, dann für Mephisto vor. Danach verkomplizierte sich die Ausführung, und er schilderte Dialoge, das Treffen mit Margarethe, die Walpurgisnacht und die Schlussszene im Kerker.

Goethe-Werk im Originalklang, aber mit russischen Untertiteln

Die Musik stammt von Arturo Anneccino, der schon 2000 für Steins lange Aufführung von beiden Teilen des "Fausts" komponiert hatte. In "Faust-Fantasie" ist die Musik jedoch nicht als bloße Begleitung für das Goethe-Werk, sondern als gleichberechtigter Part gedacht.

Das Spiel des Pianisten wurde im Moskauer Theater der Nationen auch deshalb selbstständiger wahrgenommen, weil der Goethe-Text mit russischen Untertiteln begleitet werden musste. Dies schien das Auditorium am Nachvollziehen jedoch wenig zu stören. Einige Male ertönte im Saal ein Seufzen oder ein Lacher, wenn Stein mit seiner Stimme Gretchen oder die Hexenschar auf dem Brocken spielte.

"So wollten die Russen Tschechow inszeniert sehen"

Das war nicht die erste Russland-Reise für Peter Stein. Als Regisseur war er hier schon einmal populär, als er 1989 seine Aufführung von Tschechows "Drei Schwestern" nach Moskau brachte.

"Stein hat ideal erraten, wie die Russen Tschechow inszeniert sehen wollten", erinnert sich die Mitarbeiterin des Theaters der Nationen Julia Girba an das Gastspiel vor 20 Jahren. Mit zwei weiteren Tschechow-Stücken – dem "Kirschwald" und "Onkel Wanja" – konnte der Regisseur seine Anerkennung in Moskau noch stärken.

Stein hatte "Orestie" und "Hamlet" in Moskau aufgeführt

In den 90er Jahren kam es auch zur Zusammenarbeit mit russischen Schauspielern. Stein führte in Moskau "Orestie" und "Hamlet" auf, beide Male mit dem markanten Schauspieler Jewgeni Mironow in der Hauptrolle.

Damit ist auch erklärt, warum der 71jährige Regisseur mit seiner "Faust-Fantasie" gerade im Theater der Nationen auftrat, und zudem noch zur Saisoneröffnung: Jewgeni Mironow leitet das Theater seit zwei Jahren. Bei der Vorstellung war er ebenfalls im Zuschauerraum dabei.

Nach der Aufführung sagte der Deutsche im Foyer zu Mironow, er würde gern mal wieder mit ihm zusammen arbeiten. Wann er aber selbst wieder nach Russland komme, wisse er noch nicht. Schon am nächsten Tag fuhr er an seinen ständigen Wohnsitz bei Rom in Italien.