STEIN ODER NICHT STEIN, DAS IST HIER DIE FRAGE

Sven Siedenberg
1999
(vom privaten Archiv von Jewgeni Mironow)

Von Moskau nach München: Peter Steins russische " Hamlet"-Inszenierung ist an drei Tagen in der Reithalle zu sehen

Kommt er, kommt er nicht. Wer weiß das schon bei Peter Stein. Nicht einmal Dagmar Hahn kann Auskunft darüber erteilen, obwohl sie diejenige ist, die das dreitägige Gastspiel seiner viel gerühmten "Hamlet"-Inszenierung in der Reithalle organisiert (Premiere ist am Donnerstag, 23. September, 19.30 Uhr). Und der Regie-Meister selber, der auch bekannt ist als Meister der Launen, hüllt sich beharrlich in Schweigen. Muss man aber verstehen, schließlich werkelt er gerade im fernen Hannover an seinem Jahrhundert-"Faust".

Wollen wir also glücklich sein, dass wir wenigstens seine jüngste Shakespeare-Inszenierung zu Gesicht bekommen. In Moskau, wo sie vergangenes Jahr herauskam, gab es viel Beifall für diese Tragödie um Königsmord, politische Verstrickung und Ekel vor der Welt, die zu den meistgespielten Stücken der Dramenliteratur zählt ("Sein oder Nichtsein – das ist hier die Frage"). Besonders viel Beifall erhielt der Schauspieler Jewgeni Mironow, der mit Stein bereits für "Die Orestie des Aischylos" zusammen arbeitete und nun den Dänenkönig spielt – mit "trotzigem Autismus" und "halbkindlicher Aufgewühltheit", wie die FAZ bemerkte, die ihn zudem als "aufsteigenden Stern am russischen Theaterhimmel" feierte.

Peter Steins Abneigung gegen das Kleckern macht sich auch diesmal wieder bemerkbar. Mehr als drei Stunden dauert die Inszenierung, die in russischer Sprache mit deutschen Untertiteln gezeigt wird. Auch die Raumgestaltung ist ungewöhnlich geraten: Die Zuschauer blicken von vier Tribünen auf ein zweistufiges Spielquadrat, zeitweise sitzen sie auch mit auf der Bühne. Dort ereignet sich die sattsam bekannte Geschichte vom Meucheln und Morden im faulen Staate Dänemark.

Anders gesagt, mit den Worten von Shakespeare-Experte Rolf Vollmann: "Hamlets an und für sich sehr schöne monologische Ausbrüche sind fast alle ein bisschen geschwollen und eher in der Rhetorik stark als in der Argumentation, das heißt, sie geben außerordentlich treffend die Sinnlosigkeit bestimmter Probleme wieder. In diesen Monologen spricht sich das aus, was alle anderen Narren verschweigen, weil es nicht amüsant ist; Hamlet hätte Ophelia vögeln und dann in ein Kloster gehen sollen." Hat er aber nicht.